Dunkel und Licht

In der dunklen Kirche wird der große hängende Adventskranz entzündet

Im Dunkel

Am achten Tag
als Gott
einen Moment
wegsah
sammelten sie sich.

Die Verfolgten.
Die Unterdrückten.
Die Ausgebombten.
Die Verhungerten.
Die Gefolterten.
Die Kinder ohne Zukunft.
Die Ertrunkenen.
Die Verzweifelten.

Hoffnung erstarb.
Alles umsonst.
Keine Zukunft,
keine Gegenwart.
Keine Vergangenheit.

Nicht für sie.

Nur Nichts

Nur Dunkel.

Nur Tod.

Und es ward Nacht.

Licht

An einem fernen Punkt
irgendwo im Universum
machte sich auf
ein Photon.

Ein einzelnes Teilchen
aus reinem Licht
eine elektromagnetische Welle
oder beides
wer weiß das schon
rätselhaftes Phänomen

„Kommt mit!“, sprach es
zu seinen Freunden
und manche machten sich
auf den Weg

hinaus ins Unbekannte
hinaus ins Dunkel
hinaus in die Welt

Immer mehr wurden sie.
Immer mutiger wurden sie.
Immer lebendiger wurden sie.
Immer hoffnungsfroher wurden sie.

Eine Millisekunde
und Hundert Millionen Jahre später
machten sie plötzlich
das Dunkel hell
trugen sie
die Botschaft in die Welt:

Fürchtet euch nicht!
Ich bin das Licht der Welt.

Licht II

Mitten im Dunkel
geschah es
dass aus Versehen
ein Licht erschien.

Das Dunkel murrte
es war doch so schön
so bequem
in all seiner umfassenden Macht

Doch das Licht
schien unbekümmert weiter
was kümmerte es das Dunkel
sie kannten sich doch nicht.

Alle Ecken
alle Ritzen
selbst die Trauer
brachte es zum Leuchten

Und plötzlich
konnte das Dunkel
nicht mehr traurig sein

Fröhlich und ausgelassen
Lachten sie gemeinsam
die Trauer hinweg.

aus den "Klängen in der Nacht" am 25.11.2022