Käse
Ein Klassiker der niederländischen Literatur vom belgischen Autor Willem Elsschot:
Im Jahr 1933 bekommt Frans Laarmans, ein kleiner Büroangestellter einer Werft, plötzlich das Angebot, Großhandelsvertreter für niederländischen Käse zu werden. Edamer, vollfett, um genauer zu sein. „Käse geht immer“, denkt er sich, ermutigt von einem mehr zufällig bei der Beerdigung seiner Mutter aufgetauchten reichen Gönner namens Van Schonbeeke, der ihm auch diesen Posten beschaffte. Frans Laarmans beginnt davon zu träumen, ein großer, einflussreicher und gesellschaftlich geachteter Geschäftsmann zu werden. Er beginnt, sein Büro einzurichten, während seine ersten zwanzig Tonnen Käse in einem Keller lagern und auf ihren Verkauf warten. Doch erst muss der Schreibtisch her, ein Telefon installiert, eine Schreibmaschine gekauft werden (alle Second-Hand-Läden durchzustöbern dauert schon mal eine Woche!), Briefpapier und vieles mehr.
In der Runde der Freunde seines Gönners, die sich wöchentlich trifft, durfte er anfangs nur am Rand sitzen, keiner kannte seinen Namen. Nun genießt er plötzlich die Anerkennung der anderen, wobei Van Schoonbeke die geschäftliche Stellung Laarmans gewaltig übertreibt. Man wird das Gefühl nicht los, dass auch die anderen Mitglieder der illustren Gesellschaft möglicherweise etwas weniger bedeutend sind, als sie sich geben.
Die ganze Zeit belasten Laarmans irgendwie diese 20 Tonnen Käse, doch sie bleiben im Hintergrund gut verstaut in einem „Patentkeller“ einer Firma, alles andere drumherum ist ihm wichtiger. Eigentlich mag er Käse ja nicht mal besonders, würde seine Ware am liebsten überhaupt nicht sehen, geschweige denn anfassen. Heute würde man sagen: Klassischer Fall von Prokrastination.
Immer deutlicher wird ihm auch selbst, dass er vom Verkauf von Käse in ganz Belgien (sowie dem Großherzogtum Luxemburg) schlicht keine Ahnung hat. Immer näher rückt der Tag der ersten Abrechnung. Was tun?
Das will ich natürlich nicht verraten. Vielleicht so viel: Das mit dem Prokrastinieren kann manchmal auch Teil der Lösung sein ...
Für mich war es ein sehr feinsinniges, humorvolles, fast satirisches Buch, das ich gerne gelesen habe. Ich habe mit Frans Laarmans mitgefiebert. Habe mich darüber geärgert, dass er den Verkauf einfach nicht starten will. Ich habe aber auch die sehr fein beobachteten Umstände der damaligen Zeit genossen. Zu sehen, wie wichtig Stand und Ansehen damals waren, wie das Leben orgaisiert war, wie Frans Laarmans seine Rolle als Sohn, Vater und Ehemann versteht. In dem 90 Jahre alten Text zu erleben, wie das Leben damals organisiert war. Ein wirklich sehr lesenswertes Buch, finde ich!
Für mich war es das erste Buch, das ich tatsächlich auf Niederländisch gelesen habe. Einen passenderen Titel für den ersten Versuch kann es kaum geben, finde ich. Wer das eventuell auch probieren will, kann die in manchen Ausgaben enthaltene Abhandlung über „Stil“ am Anfang des Buches getrost überspringen. Sie gehört nicht zur Handlung und ist sprachlich ein ganzes Stück anspruchsvoller. Aber auch sehr lesenswert!
Faszinierend finde ich übrigens auch den Autor Willem Elsschot. Unter diesem Pseudonym wurde er einer der bekanntesten und beliebtesten Autoren der damaligen Zeit und schrieb Klassiker der belgisch-niederländischen Literatur, die bis heute bekannt und beliebt sind. Doch nicht mal seine eigene Familie ahnte, dass der Inhaber einer Werbeagentur Alphonsus Josephus de Ridder hinter diesem Pseudonym steckte.
Buchinformationen
Willem Elsschot: Käse, Unionsverlag 2005, Taschenbuch, 144 Seiten ISBN 978-3-2932-0337-2
(und weitere Ausgaben)
Niederländischer Titel: Kaas