Die Hütte: Ein Wochenende mit Gott
Es ist irgendwie ein Phänomen: Seit Jahren wird mir dieses Buch immer wieder von Christen empfohlen. „Lies die Hütte!“ - ich weiß nicht, wie oft ich das mittlerweile gehört habe. Besondere Lust hatte ich allerdings nicht darauf. Das liegt möglicherweise daran, dass ich theologische Bücher im Grunde immer als „Arbeit“ und nicht als Entspannung ansehe.
Ein erster Versuch als E-Book scheiterte dann daran, dass ich schlicht und einfach nicht erkannte, dass ich immer noch im ellenlangen Vorwort feststeckte und mich dieses Vorwort fürchterlich langweilte. Erst durch einen erneuten Hinweis auf Twitter, vor ein paar Tagen, bekam ich den Anstoß, es doch nochmal zu versuchen. Diesmal übersprang ich das Vorwort einfach.
Was soll ich sagen: Die Geschichte hat mich wirklich gepackt. Sie ist spannend und mitreißend erzählt, jedenfalls der erste Teil. Die Gefühle des liebenden Vaters Mack, der seine jüngste Tochter durch ein Verbrechen verliert, sind absolut nachvollziehbar. Ein bisschen oft und kitschig kommt mir das Wort „Liebe“ vor, aber das ist halt amerikanischer Stil. Die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes, die Theodizeefrage: Wie kann Gott dieses Leid zulassen? - sie hängt sehr drängend über allem.
Und dann bekommt Mack seine Antworten: Gott lädt ihn ein, in „die Hütte“, den Ort des schrecklichen Verbrechens, das dort ein paar Jahre zuvor geschehen ist. Mack verbringt ein ganzes Wochenende mit Gott, Jesus und dem Heiligen Geist. Er erlebt so manche Überraschung. Das beginnt schon damit, dass Gott eine Frau ist – und schwarz. Und außerdem gerne kocht. Im Kopf hatte ich die ganze Zeit das Bild vom „Orakel“ in den Matrix-Filmen. Die Beschreibung passt ganz gut. Auch Jesus ist übrigens gar nicht so der hellhäutige, blonde Schönling, als der er ja so oft in unserer Kultur abgebildet ist, sondern eher ein bodenständiger Zimmermann aus Galiläa. Das finde ich sehr positiv: Dieses Buch räumt schon mal gleich mit gängigen Gottesbildern auf und setzt plakativ andere dagegen. Später wird Gott übrigens auch als Mann erscheinen. Es wird wirklich deutlich: Gott ist weit mehr als die Bilder, die wir uns von ihm machen.
Viele, viele Gespräche mit Gott, Jesus und dem heiligen Geist führt Mack an diesem Wochenende, die seine Theologie revolutionieren. Er, der eigentlich kaum noch auf Gott vertraute, der nach dem großen Leid in seinem Leben schon fast völlig mit Gott gebrochen hatte, wird behutsam dahin geführt, wieder neu auf Gott zu vertrauen. Das Stichwort über allem ist: Die Liebe. Mir kommt sie manchmal ein bisschen zu zuckrig und platt daher, diese Liebe, aber ich glaube, das liegt einfach daran, dass US-Amerikaner manche Dinge eben etwas anders ausdrücken, als das Europäer tun würden.
Die Theologie dahinter, auch das Ringen um die Theodizee-Frage („Wie kann Gott Leid zulassen?“), entspricht zu einem nicht unerheblichen Teil auch meinem eigenen theologischen Ansatz. Die recht esoterischen Beschreibungen von Begegnungen mit seiner verstorbenen Tochter beispielsweise sind für mich dann allerdings wieder etwas fragwürdig. Ich denke, wir können uns das Jenseits einfach überhaupt nicht vorstellen – und sollten es deshalb lieber auch gleich bleiben lassen. Andererseits ist ja sowieso alles nur ein Bild. Dann kann Gott für Mack auch ein Bild des Jenseits schaffen, das dieser verstehen und erfassen kann – und wir, die das Buch lesen, gleich mit.
Auch, wenn Mack an diesem Wochenende seinen großen Verlust weitgehend verarbeitet: Das eigentliche Wochenende fällt nach der starken Eingangshandlung doch sehr stark ab. Hier stehen die Gespräche mit Gott im Vordergrund. Der Autor erzählt im Nachwort, er habe quasi eine Geschichte um seine Gedanken herum gebaut. Das merkt man deutlich. Kaum ist das Wochenende beendet und Mack fährt wieder heim, geht es gleich wieder weiter mit Action, geradezu mit einem Knall.
Ich fand „die Hütte“ durchaus gut. Gut zu lesen, theologisch in weiten Teilen vertretbar, halt ein bisschen amerikanisch-kitschig. Ich werde es nicht jedem empfehlen, der mir über den Weg läuft. Aber vielleicht ab und zu mal jemandem, der ein ganz konträres Gottesbild hat, eines von einem strafenden, rachsüchtigen oder fernen Gott. Leider gibt es ja auch solche religiösen Sozialisierungen. Vielleicht hat dieses Buch für mich persönlich auch zu wenig theologisch Neues gebracht, um mich wirklich in meinem Glauben zu berühren. Als Geschichte ist es aber gar nicht so schlecht. Und ganz offensichtlich gibt es ja sehr viele Menschen, die von diesem Buch angetan sind und deren Glauben es verändert hat – dann auf jeden Fall zum Positiven. Von daher: Es gibt deutlich schlechtere theologische Literatur. Vier von fünf Kuschelpunkten.
Buchinformationen
William Paul Young: Die Hütte: Ein Wochenende mit Gott. Übersetzung: Thomas Görden, Taschenbuch, 368 Seiten, Ullstein Taschenbuch, ISBN 978-3-5482-8403-3, 9,99 €
E-Book 8,99 € (Übersetzung: Marita Böhm) |
Unerträglich amerikanisch
Danke für die Reszension. Ich kann dir in vielen Punkte zustimmen. Die Theodizee-Frage ist ganz gut erklärt. Aber für mich macht der schwülstig-überladen-zuckersüße amerikanische Stil ganz viel kaputt. Aber am allerschlimmsten war für mich das Leid, das dem Kind angetan wurde. Wenn das Kind weniger dramatisch gestorben wäre (ich konnte die Stellen nur überfliegen, weil ich mich nicht abgrenzen konnte) hätte er das Buch auch schreiben können.
Bei mir bekäme es 2 von 5 Punkten. Die 2 Punkte für einen guten Kern, wenn man ihn denn freilegen kann.