Take Off - der Gottesdienst zum Abheben

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Samstag, 15.10.2005, 19 Uhr

Ansprache

Alles hat seine Zeit, haben wir vorhin gehört. Ein weiser Text aus der Bibel ist das, aus der Zeit des Königs Salomo. Alles hat seine Zeit – Weihnachten und Ostern, Arbeiten und Urlaub machen, Skifahren und Sonnenbaden. Die Menschen früher haben das sicher viel direkter erlebt, denn sie konnten immer nur gerade das ernten und essen, was das Feld gerade hergab – oder was sich lange genug lagern ließ. Alles hat seine Zeit: Ich habe das Gefühl, es macht uns orientierungslos, wenn wir die ersten Lebkuchen schon im Sommer bekommen, Erdbeeren im Winter und gefärbte Eier mittlerweile fast das ganze Jahr über. Können wirs einfach nicht mehr abwarten? Nein, ich glaube, das ist zu wenig, das ist zu kurz gegriffen. Vielleicht ist es eher so, dass wir diesem Angebot einfach nicht widerstehen können. Wir sind es gewohnt, dass eben nicht alles seine Zeit hat, sondern dass alles das ganze Jahr über zu haben ist. Wir sind es auch gewohnt, zuzugreifen, wenn uns etwas angeboten wird, was wir gerne mögen – manchmal, ohne darüber weiter nachzudenken. Aber dabei geht uns etwas verloren, nämlich das Gefühl dafür, was wann seine Zeit hat. Das Gefühl auch dafür, dass wir diesem Kreislauf der Jahreszeiten noch unterworfen sind, dass eben nicht alles machbar ist. Und eines ganz besonders geht verloren: Die Vorfreude. Die gespannte Erwartung. Die Spannung, die wir Erwachsenen vielleicht als Kinder noch erlebt haben, gerade vor Weihnachten. Und damit geht uns dann eigentlich das Gefühl dafür verloren, dass diese Zeit von Weihnachten und Advent eben eine ganz besondere Zeit ist. Wenn wir schon Monate vorher zugedudelt werden mit Weihnachtsmusik, wenn wir schon im Oktober Krippen und Nikoläuse zu sehen bekommen, dann kann es schon sein, dass wir in der eigentlichen Adventszeit schon gar nichts mehr damit zu tun haben wollen. Dass uns Weihnachten, noch bevor es überhaupt richtig angefangen hat, schon zum Hals raushängt.

Alles hat seine Zeit, sagt die Bibel. Ein sehr weiser Satz, finde ich. Alicia hat bei der Vorbereitung gemeint: „Wenn man schwanger ist, holt man ja auch nicht das Kind schon vorher raus, weil man sich so darauf freut.“ Alles hat seine Zeit. Advent, Weihnachten: Das muss wachsen und reifen. Wir laden euch deshalb heute ein, darüber nachzudenken: Was will ich eigentlich? Wie will ich Advent und Weihnachten erleben? Mag sein, dass einer sagt: Es stört mich gar nicht, schon im Oktober Lebkuchen zu essen. Advent und Weihnachten mache ich an ganz anderen Dingen fest. Ich glaube, dass das vollkommen ok ist. Denn das andere ist viel wichtiger: Dass wir den Advent wieder als eine Zeit begreifen, in der wir ruhig werden können, still werden können. Trotz aller Hektik um uns herum. Und wenn ich dafür extra mal 10 Minuten eher aufstehe, mir eine Kerze anzünde, meine Ruhe habe. Oder am Nachmittag einmal mit der Familie zusammen sitze, wie es so selten möglich ist. Wir haben in der Offenen Phase Rezepte gesammelt, wie wir unseren Advent gestalten können.

Alles hat seine Zeit. Advent ist im Dezember. Und davor ist eine dunkle Zeit, durch die wir aber hindurch müssen: Der November, vom Wetter her oft grau, mit seinem von Allerheiligen, Volkstrauertag, Ewigkeitssonntag geprägten Thema, Erinnerung an die Toten, Hoffnung auf die Auferstehung. Das wird verdrängt, wenn wir schon zu früh mit Advent und Weihnachten anfangen, aber ich glaube: Es ist wichtig, dass wir erst einmal durch diese dunklen Gedanken und Erinnerungen durchgehen, damit wir wirklich erleben können, was das heißt: Jesus Christus, das Licht der Welt, ist in die Welt gekommen. Die Nächte werden kürzer, die Tage werden länger. Wir können neue Hoffnung haben.

Weihnachten – das ist ein Fest der Hoffnung. Das Fest, an dem wir spüren können: Gott kommt zu uns. Er ist uns nahe. An Weihnachten hat Jesu Leben auf dieser Welt begonnen. Ganz am Ende seines Lebens hat Jesus etwas begonnen, das bis heute weitergeht. Etwas, das auch dazu dienen sollte, uns spüren zu lassen, dass er uns nahe ist. Etwas, das uns stärken und uns Hoffnung geben sollte. Ganz am Ende seines Lebens, vor seiner Kreuzigung, feierte er mit seinen Freunden das Abendmahl. „Das ist mein Leib“, und „das ist mein Blut“ - wenn sie miteinander Brot aßen und Wein tranken, dann sollten sie sich an ihn erinnern und spüren: Es ist Weihnachten geworden in dieser Welt. Gott ist da. Mitten in der Dunkelheit. Und dieses Weihnachten, das können wir jeden Tag spüren. Heute in Brot und Traubensaft. In der Gemeinschaft untereinander, wenn wir nach dem nächsten Lied Abendmahl feiern, Brot und Traubensaft miteinander teilen, mit denen, die wir mögen und mit denen, die wir nicht ausstehen können: Dann ist wirklich Weihnachten. Amen.

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